Herzbube

2003
Öl, Bronze, Eisen, Blattgold, Weißblech auf Holz
Maße 93 x 50 x 9 cm

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Beschreibung


… Ich habe im Moment den Herzbuben im Kopf, den ich für eine Ausstellung in einer ambulanten Herzklinik gemacht habe. Da ist der Bildträger: eine alte Holztür. Ich lege ein verbranntes Brett oben drauf, das ein Loch hat, und ich sehe darin ein Auge. Das Brett erscheint plötzlich als Gesicht. Da denke ich: dieses Auge ist so ein leeres Auge – und da ich handgeschmiedete Nägel liebe, haue ich also einen Nagel hinein. Das ist ja schon ganz schön brutal, aber es gibt da eben auch wieder den Film von Dalí und Buñuel »L’age d’or«, wo ein Auge zerschnitten wird, und das fällt mir grad so im Moment ein. Von hinten angeflogen wie die Eule der Minerva.

Das heißt, es ist nicht immer so, dass du ein Thema schon hast und danach Material suchst, sondern es kann auch sein, dass du Dinge findest und auf einmal hast Du auch ein Thema dazu. Wie ist da das Verhältnis? Gehst du schon mit dem fertigen Thema auf Suche oder suchst du mit deinen Materialien auch die Themen?

Das geht ineinander über. Manches Mal ist es ein fertiges Thema, zu dem ich mein Material suche. Oft aber ist es wie ein Stück Musik, wo sich etwas in der Schwebe hält und dann konkretisiert. Oder plötzlich löst sich das feste Thema auf, weil eine Form dich auf einen anderen Weg bringt und dann weitere Formen nach sich zieht. Also dieser Herzbube, der sollte ursprünglich eine Herzdame werden, aber das ging überhaupt nicht auf, denn mir fiel sowohl ein alter handgeschnitzter Köcher in die Hände, den ich auf das Brett nagelte, als auch ein Holzstab, den man benutzt, um die Schlacke wegzustoßen beim Gießen. Die Spitze dieses Holzstabes verkohlt bei 1300 Grad. Ich blattvergoldete diesen Stab und steckte ihn in den Köcher. Das wurde dann natürlich ein Bube. Ich hätte vielleicht auch eine Diana daraus machen können, aber es ging ja um das Thema Herz. Danach fielen mir gegossene Bronzebonbons ins Auge, vier Stück. Und ich dachte, diesem herben Buben müsste ich etwas Süßes beigeben. Ein bisschen Dame kam eben doch noch als Assoziation mit hinein. Und so hat ein Stück das andere nach sich gezogen. Natürlich auch die Spielkarte als Idee, die das Farbklima bestimmte – rot und grün mit strengem Muster – zitiert aber eben nur an einem Bein – auch wieder verspielt.

Auszug aus dem Interview mit Carin Gudda
»DIE EULE DER MINERVA BEGINNT IHREN FLUG IN DER DÄMMERUNG«